Fachwissen - Teigruhe und Stückgare

 
Nachdem wir im ersten Teil schon ausführlich die Teigtemperatur behandelt haben, gehe ich heute näher auf einige Aspekte ein, welche alle mit dem Faktor Zeit zu tun haben. Die Zeit, welche zwischen Abschalten des Kneters und der Aufarbeitung des Produkts vergeht. Und danach die, in der das geformte Teigstück darauf wartet in den Ofen geschoben zu werden.

Gleich vorneweg: ich beschäftige mich in diesem Beitrag ausschließlich mit Broten. Eigentlich hatte ich Brötchen und Hefefeinteige auch mit eingeplant, doch das hole ich demnächst nach.

Teigruhe

Die Teigruhe findet immer im kompletten Teig statt, das heißt: Er wird nicht in Stücke geteilt, bevor die Teigruhezeit vorbei ist. Sinnvoll ist es auch, die Teige immer abzudecken, während sie ruhen. Die ideale Teigruhezeit ist vom Getreidemischungsverhältnis sowie der Hefemenge abhängig. Auch die eingesetzte Menge an Vorteig spielt eine Rolle: Je mehr Vorteig verwandt wird, desto kürzer muss der Teig ruhen.

Die Aufarbeitung sollte stets bei optimaler Teigreife begonnen werden. Dieser Punkt muss, damit er auch eingehalten werden kann, klar definiert werden.

Da sich während der Teigruhe der Teig weiterentwickelt und die Triebleistung der Hefe ansteigt, ist es wichtig diese Dauer der Teigruhe präzise einzuhalten. Auch Nachsteifprozesse (sie entstehen beispielsweise durch die Verquellung gröberer Schrotbestandteile im Teig) laufen in diesem Zeitraum ab.
Die normale Teigruhedauer beträgt zwischen zwei Minuten (etwa beim Roggenschrotbrot) und 30 Minuten (beim Weißbrot). Aber es gibt auch einige Bäckereien, die durch reduzierte Hefezugaben und kühlere Teigtemperaturen längere Teigruhezeiten „provozieren“, was bei manchen Produkten auch notwendig sein kann. Ausgehobene Brote, spezielle Schwarzbrote, viele mediterrane Backwaren und Ähnliches wären da zu nennen.

An dieser Stelle muss jeder Betrieb für sich den passenden Weg finden, hier Werte zu nennen wäre nicht zielführend. Auch da es durchaus Brotteige gibt, die z.B. über Nacht in der Kühlung reifen und dann erst aufgearbeitet werden.

Im Normalfall sollten für Brotteige folgende Teigruhezeiten gelten, bis die Teigstücke abgewogen und aufgearbeitet werden.

  • Roggenbrot 5 bis 8 Minuten
  • Roggenmischbrot 8 bis 12 Minuten
  • Mischbrot 10 bis 15 Minuten
  • Weizenmischbrot 15 bis 20 Minuten
  • Weißbrot 25 bis 30 Minuten
  • Für (Roggen-)Schrotbrot-Teige sollte man berücksichtigen, dass eine ausreichende Verquellung gewährleistet ist. Daher werden Quellruhen während des Knetprozesses empfohlen, die abhängig von der Granulation des Schrotes sind. Nach dem „Auskneten“ reicht dann eine entsprechend kurze Teigruhe, die abhängig vom Getreidemischungsverhältnis ist
     

Der Vollständigkeit halber muss in diesem Abschnitt auch das „Aufziehen“ (manchmal auch „Falten“) des Teiges betont werden.Gerade bei Dinkelteigen oder Broten aus Urgetreidearten ist dieser Schritt essentiell, da der Kleber erstmal nicht sehr straff ist, sich auf diese Weise jedoch deutlich stabilisiert.
Auch bei Weizenteigen kann es Sinn machen, die Stabilität durch Aufziehen zu verbessern.
Probieren Sie es einfach aus. Sie werden sicher erkennen, wie sich das Verhalten des Teiges und somit auch die Aufarbeitung verändert.

Stückgare/Endgare

Diese Zeit beginnt, wenn das Produkt fertig geformt im Körbchen, eingezogen in Tücher oder auf dem Abzieher/Blech sitzt. Die Stückgare, die hier gemeint ist, ist die bei direkter Führung, da selbstverständlich jedes Kältesystem andere Ergebnisse mit sich bringt.

Abhängig ist die Dauer der Stückgare bei „normalen“ Broten von der Art, also ob freigeschoben oder Kasten.

Das freigeschobene Brot steht pauschal zwischen 45 und 50 Minuten auf Gare,
das Kastenbrot benötigt bis zur Ofenreife 60 Minuten.

Und damit diese Zeiten eingehalten werden können, ist die Hefemenge entsprechend anzupassen.
Ausnahmen von dieser „Regel“ sind mediterrane Gebäcke (je nach Hefemenge kann die Stückgare sehr lang sein, eventuell sogar über Nacht dauern) und genetzte Brote (wegen der langen Reife im Kessel direkt einschießen) sowie Pumpernickel (keine Stückgare).

Bei Broten mit einem hohen Anteil an Sauerteig sollte eine zu lange Endgare vermieden werden, da die Versäuerung fleißig weiter geht.

Hefemenge

Da die Faktoren Teigtemperatur, Teigruhe und Stückgare fix sind, können wir deren Einhaltung nur durch Anpassen der Hefemenge regulieren.

Bei den meisten Broten gilt, dass je höher die Teigtemperatur, desto niedriger die Hefemenge. Daraus ergibt sich auch, dass Roggenbrote niedrigere Hefemengen (0,2 bis 1 Prozent) haben als Weizenbrote (2 bis 3 Prozent). Dabei spielt natürlich zugleich die Sauerteigart und seine Menge eine wesentliche Rolle, da der Sauerteig seinerseits Sauerteighefen enthält, die für einen Teil der Lockerung sorgen. Mehr als 3 Prozent Hefe sollte jedoch kein Brot enthalten. Das ist auch überhaupt nicht erforderlich, wenn alle anderen Faktoren stimmen.

Werden Teige über Nacht geführt oder in sonstigen speziellen Verfahren, kommen teilweise auch Mengen von weit unter 0,5% zum Einsatz.


Resümee

Werden alle Faktoren Nacht für Nacht eingehalten, ist es möglich seine Abläufe in der Produktion besser zu strukturieren. Belohnt werden sie mit einer gleichmäßigeren Produktqualität, welche die Kunden erwarten und schätzen.
Wie oben schon erwähnt gehen wir sicherlich noch eines Tages die Teigruhe bei anderen Backwaren an. Schaut einfach ab und zu mal in unseren Blog, dann kriegt ihr das schon mit.

Für mich bleibt noch euch viel Erfolg beim Umsetzen zu wünschen.

Mit kollegialen Grüßen

Unterschrift

über den Autor

Bäckereien optimieren, mit sauberen Zutaten handeln, Workshops organisieren und als Freizeitbeschäftigung Rezepturen entwickeln.
mm@ingredio.de

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